Dagmars Geburtstagsfeier 2014

´Lensahn? … Wo, zum Teufel, liegt denn nun eigentlich wirklich Lensahn?´ Diese Frage ging uns wahrscheinlich allen mehrfach durch den Kopf, die wir in einem unbedachten Moment zugesagt hatten, unsere ehemalige Festreferentin anlässlich ihres 68. Geburtstag in ihrem neuen Heim zu besuchen. Wir erinnern uns: Eigentlich hatte es ja südwärts, in die Toskana gehen sollen – Sonnenschein, malerische Landschaften, italienische Weine und ´Dolce Vita´ bis zum Abwinken – aber die Realität sah nun ganz anders aus.

Der Weg führte stattdessen nach Norden, irgendwie an dem Nadelöhr Hamburg vorbei in Richtung Fehmarn und dann, kurz vor der Fehmarnsund-Brücke, scharf links … und schon war man da. Eine Spazierfahrt würde das wahrscheinlich nicht werden. Dabei würde der Hinweg wahrscheinlich gar nicht so schlimm werden … doch vor der Rückfahrt graute bereits allen. Das lange Wochenende um den 1. Mai endete nämlich, und endlose Staus auf allen Straßen schienen vorprogrammiert. Doch Bange machen galt nicht.

Ursprünglich hatten es die wagemutigen Sieben – Detlef, Günther, Hellmut, Holger L., Norbert, Reimer und Andreas – in Betracht gezogen, gemeinsam mit einem Bus die weite Reise anzutreten, den Hellmut hätte organisieren können, doch dieses Vorhaben wurde bereits im Vorfeld aus den unterschiedlichsten Gründen wieder verworfen. Stattdessen machte sich nun eine vierköpfige Fahrgemeinschaft – bestehend aus Detlef, Günther, Hellmut und Reimer – auf den Weg, während die übrigen separat anreisen und ihre jeweils besseren Hälften mitbringen wollten. Mit dem hehren Vorsatz, sich gegen 17.00 Uhr am Finkenberg einzufinden, ging am 03.05.2014 das Unternehmen ´Dagmars Heimsuchung´ in die entscheidende Phase über.

Immerhin, das Navigationsmenü kannte Lensahn – ein gutes Zeichen … das war nicht zwingend zu vermuten gewesen, nachdem der von Dagmar empfohlene ´Lensahner Hof´ für die anstehende Übernachtung nach drei Buchungen durch Detlef, Günther und Reimer bereits an die Grenzen seiner Kapazität gestoßen war. Trotzdem haftete der angehenden Fahrt der unverkennbare Beigeschmack eines Aufbruchs ins Unbekannte an. Warum hatte es denn unbedingt dieses Lensahn mitten im Nichts sein müssen? Hoffentlich gab es dort überhaupt befestigte Straßen.

Allen Zweifeln und Unkenrufen zum Trotz fanden sich alle Besucher pünktlich am Zielort ein. Ihr Weg hatte sie zum Schluss über malerische Landstraßen durch blühende Rapsfelder geführt und zum allgemeinen Wohlbefinden beigetragen. So ganz übel war die Gegend hier doch nicht … zumindest bei schönem Wetter. Im Schein der untergehenden Sonne trauten sie ihren Augen kaum, als sie an Dagmars neuem Heim die große Doppelgarage erblickten, in der ein handlicher Kleinwagen parkte. Sollte sie tatsächlich über ihren Schatten gesprungen sein und …? – aber nein. Das Gefährt gehörte ihrer Nachbarin, klärte die strahlende Gastgeberin sie mit kokettem Lächeln auf. Sie war noch immer die alte und ihren eisernen Prinzipien unerschütterlich treu geblieben.

Mit angemessenem ´Aah´ und ´Ooh´ bestaunten die Gäste die gepflegte Gartenanlage des Anwesens. Wilde Enten stolzierten da über die frisch gemähte Rasenfläche, in der Günther und Andreas mit ihren Argusaugen sofort Reste von Löwenzahn entdeckten … in einem idyllischen Teich schwamm eine vereinzelte Seerose, die eigentlich von unten illuminiert werden können sollte, aber Dagmar hatte vergessen, wo der Schalter für dieses atemberaubende Lichtspiel war … und der seitliche Knick zum Nachbar – eine Art bewachsener Wall aus Bruchsteinen – erholte sich gerade von dem willkürlichen Eingriff des Gärtners, dem diese natürliche Parzellenbildung fremd und ein wuchernder Dorn im Auge gewesen war.

Natürlich war man nicht mit leeren Händen gekommen und beschenkte Dagmar zu ihrem Festtag reichlich und vielfältig.

Günther hatte unterwegs noch spontan einen Blumenstrauß zusammen geklaubt, damit das Geburtstagskind auch einmal einen ungefähren Eindruck davon erhielt, was in ihrem Umland alles für schöne Pflanzen gediehen – er ahnte wohl bereits, dass die Gute in den vergangenen zwei Jahren hier noch nicht so weit herum gekommen war. Darüber hinaus beglückten sie sie auch noch mit einem ´Heimatroman´ – dem historischen Roman ´Die Vergolderin´ von Helga Gleasener, der in Braunschweig spielt – einer hängenden Blumenampel, einer Flasche anständigen Rotwein, einer endlosen Wurst ihrer in Braunschweig  bevorzugten Schlachterei Neubauer, einer Packung Katzenfutter und einer naturgetreuen Nachbildung eines toskanischen Spottmeisen-Pärchens, das sogar deren unverkennbaren Ruf täuschend echt nachzuahmen in der Lage war.

Kaum hatte sie ihre zahlreichen Geburtstagsgaben ausgepackt und angemessen gewürdigt, ging es auch schon ans Essen. Jeder, der schon einmal bei Dagmar in Braunschweig zu Besuch gewesen ist, ahnt nun bestimmt schon, welche Herkulesaufgabe da auf die Festgesellschaft wartete … das hatte sich auch nicht mit ihrem Umzug in die Fremde geändert. Es gab Lachsschnittchen auf einem Gemüsebett, in Knoblauchöl gebratene Scampi, Wildschwein und gebratene Ente, Zuckerschoten und in Speckmantel gehüllte Bohnen, Klöße, einen frischen Salat mit Tomaten für das gute Gewissen und in Schinken gerollte Backpflaumen, Birne Helene und Pfirsich Melba und zum Nachtisch Tiramisu und Mousse´au´Chocolat. Das alles war Norbert anscheinend nicht genug, der im Anschluss an die allgemeine Völlerei die Marzipan-Vorräte im Wohnzimmer entdeckte und plünderte. Doch Dagmar ließ das kalt … sie war noch lange nicht am Ende und konterte mit zwei Käseplatten … da gab auch Norbert auf.

Inzwischen war es empfindlich kühl geworden – ganz so, wie es sich für Dagmars Geburtstagsfeiern gehörte – und Decken und Fellmäntel wurden an die Bedürftigen verteilt.

Detlef, Günther, Hellmut, Holger, Norbert, Reimer und Andreas scharten sich hingegen ganz nach Männerart um die lodernden Flammen in dem eisernen Feuerkorb, der von Holger und Norbert fachgerecht geschürt worden war und nun einem kleinen Scheiterhaufen glich, und bemühten sich in dem Qualm um ein paar warme Gedanken. Man entschied sich dagegen, von draußen noch ins geschützte Wohnzimmer umzuziehen, um Dagmars Mutter nicht zu stören, die bereits zu Bett gegangen war, und so endete das gesellige Zusammensein kurz vor Mitternacht.

Zufrieden, bis zum Anschlag gesättigt und gehörig durchgefroren machten sich alle auf den Weg zu ihren Gastunterkünften – nur Hellmut war bei Dagmar untergekommen und hoffte, nun nicht in einem der beiden Katzenhäuschen nächtigen zu müssen, die sie für ihre streunenden Schützlinge aufgestellt hatte, von diesen aber konsequent gemieden wurden. Was aus ihm geworden ist, kann nur gemutmaßt werden. Detlef, Günther und Reimer behaupten zwar steif und fest, ihn am nächsten Tag wieder abgeholt und mit zurück nach Braunschweig genommen zu haben, aber seitdem ist er verschollen – auf der Ostsee, heißt es.

Wie erwartet, waren die Straßen am Sonntag voll … sehr voll – Zwanzig Kilometer Stau am Elbtunnel, acht Kilometer bei Walsrode, vier Kilometer bei Hannover und noch einmal fünf Kilometer bei Watenbüttel – alles in allem wahrlich keine rosigen Aussichten, so dass sich Norbert und Andreas unabhängig voneinander für die Landstraßen-Route Neumünster, Bad Segeberg, Lauenburg, Lüneburg, Uelzen nach Braunschweig entschieden – eine endlose Gurkerei! Holger hat stattdessen mit seiner Manuela noch einen Abstecher nach Kappeln gemacht und ist erst heimwärts gefahren, als der ganze Spuk schon fast vorüber war. Nur die Fahrgemeinschaft soll den regulären Weg über die Autobahn genommen haben und irgendwie ebenfalls ganz gut durchgekommen sein.

Wir können das ja nächstes Jahr wiederholen“, hatte ihnen Dagmar zum Abschied mit auf den Weg gegeben, aber da hatte sie wahrscheinlich keine Vorstellung davon gehabt, was sie da eigentlich so leichtfertig vorschlug. Nun war es erst einmal an ihr, nach Braunschweig zu kommen, und dann würde man weitersehen … Hatte es denn wirklich unbedingt Lensahn sein müssen?

(Andreas)

Holgers Bilder              Reimers Bilder


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Letzte Änderung: 07.06.2018