Sommerfest 2013
Es gibt einen verwunschenen Ort – irgendwo im Westen von Braunschweig, tief verborgen im alten Teil von Lehndorf, wo die Straßen noch keine richtigen Namen erhalten haben, sondern nur nach ihren Eigenschaften benannt werden, und eine alte Turmuhr mit blecherndem Schlag unermüdlich das Fortschreiten der Stunden verkündet. Dort, am Fuß des schwarzen Hauses, ist das Gras immer grün, sind Büsche und Bäume wohl gestutzt und selbst wild wuchernde Unkräuter werden liebevoll umhegt und mit Sorgfalt gekennzeichnet. Drollige Tiere aus Eisen tollen ausgelassen durch das Unterholz und beäugen neugierig die zweibeinigen Besucher, die sich gelegentlich in ihr idyllisches Reich wagen und es mit staunendem Blick und voller Ehrfurcht durchschreiten. Es ist ein Ort voller Wunder, an dem es viel zu entdecken gilt: betörend duftende Rosenstöcke und üppig wuchernder Wein, Trompetenblumen und Jasmin, Wasserspiele und wohlklingendes Windgeläut.
Im lauschigen Schatten einer Mauerruine, die bereits vor sieben langen Tagen an ihrem Ort errichtet worden war und seitdem tapfer dem Unbill von Wind und Wetter getrotzt hatte, haben sich an einem Mittwoch Abend im August – es mag wohl der 07.08.2013 gewesen sein – die unerschrockenen Mitglieder der Judo-Hobbygruppe zusammen gefunden. Sie waren teilweise mit ihren besseren Hälften angereist, um gemeinsam Heiners traditionelles Sommerfest zu begehen, das in diesem Jahr ausnahmsweise mal nicht bei Wolfgang stattfinden sollte.
Gar fürstlich wurden sie von ihren Gastgebern in der Außenküche bewirtet, und gemeinsam genossen sie all die köstlichen Speisen, die sie mit sich gebracht und im prachtvollen Gästehaus ausgebreitet hatten, dass es selbst Dagmars verwöhntem Gaumen aus dem fernen Lensahn eine Freude gewesen wäre.
Unter einem starken Dach aus gespanntem Tuch, dass sie vor dem gelegentlich niedergehenden Regen und allzu neugierigen Augen aus dem Umland bewahrte, schwelgten sie In geselliger Runde in angenehmen Erinnerungen, lauschten gebannt Erzählungen und Erlebnisberichten aus den Urlaubsfahrten, gönnten sich den einen und anderen Rum oder Grappa – ganz nach persönlicher Vorliebe und natürlich nur aus rein gesundheitlichen Gründen – und widersprachen energisch jedwelcher Anzweifelung an der Ernsthaftigkeit ihrer allwöchentlichen Unterweisung in den fernöstlichen Kampfkünsten und dem damit untrennbar verbundenen, gegenseitigen Kräftemessen.
Nein, als versehrte Ritter von der traurigen Gestalt waren sie wahrlich nicht anzusehen, auch wenn sie – zugegebenermaßen – in der Vergangenheit schon so manche Dellen und Beulen hatten einstecken müssen – die einen mehr, die anderen etwas weniger – und demzufolge hatten sie dieses oder jenes Handicap mit sich herumzutragen, was sie auch alle mit gebührlichen Stolz taten. Es sollte daher lieber niemand den fatalen Fehler begehen, sie deshalb geringzuschätzen, denn ihr aus den diversen Rückschlägen und Niederlagen gewonnene Erfahrungsschatz ist unbezahlbar und kann mit jugendlicher Stärke wohl kaum aufgewogen werden – da waren sich alle uneingeschränkt einig, und das musste schließlich auch Ruth einsehen.
Die Zeit verging wie im Flug, und als die Turmuhr schließlich zwölf schlug, wurde dieser wunderschöne Abend lieber rasch beendet. Die Geisterstunde brach schließlich an und der Friedhof war nah, und außerdem wollte niemand erleben, wie durch die fortgeschrittene Stunde ein Zauber zerfiel und möglicherweise eine prachtvolle Kutsche zu einem unansehnlichen Kürbis wurde. An verwunschenen Orten wie diesem konnte man vor derartigen Überraschungen schließlich niemals sicher sein …(Text: Andreas; Fotos: Sabine)
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