Was jeder Judoka wissen sollte

Wir wollen die Sache nicht zu ernst betreiben, aber mancher mag seinen Spaß haben zu wissen, wo unser Sport herkommt, was das Wort Judo bedeutet und wie man es ausspricht.

Ausgangspunkt war das Jiu-Jitsu, das mit milde oder sanfte Kunst zu übersetzen ist und ganz wörtlich "Muskelbrechung" bedeuten soll. Im mittelalterlichen Japan gehörten die Samurai, die unseren Rittern vergleichbar waren, zur obersten Gesellschaftsklasse. Sie hatten das Vorrecht, zwei Schwerter tragen zu dürfen und mussten einem strengen Ehrenkodex, dem Bushido ( Weg des Kriegers) folgen. Ihr Stand war vererblich. Doch mit der Zeit machten sich die Ritter mausig, denn Macht und Einfluss sind schlechte Weggefährten der Moral, oder um mit Lao Tse zu sprechen – Die Waffen sind eben des Unheils und nicht des Edlen Werkzeug. Es brüsteten sich also die Samurai zunehmend mit ihrem Stand und nahmen sich vom einfachen Volke, das keine Waffen tragen durfte, was sie kriegen konnten. So sann der kleine Mann auf Gegenmittel.

Ein solches fanden drei Männer (Fukeo, Isome und Minra) bei einem um 1650 in Asakusa, einem Stadtteil Tokyos, lebenden Chinesen (Tshin Gembin), der ihnen von einer in China gebrauchten Kunst berichtete, mit der man ohne Waffen andere überwältigen und Verbrecher verhaften konnte. Die drei, Witz der Geschichte: selbst "herrenlose", d.h. arbeitslose Samurai, entwickelten daraus ein Selbstverteidigungssystem, welches sie Jiu-Jitsu nannten. Dieses wurde über die Generationen weitergetragen.

In den Wirren der Mitte des letzten Jahrhunderts von den Amerikanern (1854) erzwungenen wirtschaftlichen Öffnung Japans und der damit eingeleiteten Öffnung des Landes zur Neuzeit gerieten die alten Künste in Vergessenheit. Man wollte nur noch modern sein und holte sich aus dem Westen Experten ins Land, um in allen Bereichen die verpasste Entwicklung nachzuholen. Dabei spielten auch deutsche Fachleute eine beachtliche Rolle. Wegen der Nachwirkung dieser Einflüsse waren seitdem z.B. im japanischen Medizinstudium Kenntnisse der deutschen Sprache von großer Bedeutung.

Zurück zum Ausgang des vorigen Jahrhunderts. Ein deutscher Medizinprofessor, Dr. Erwin Bälz, der an der Kaiserlichen Universität von Tokyo lehrte, trug dort wesentlich zur Entstehung des Judo bei. Er überzeugte nämlich die Verantwortlichen von der Notwendigkeit, das eigene kulturelle Erbe nicht zu verachten und das seinerzeit fast vergessene Jiu-Jitsu als Leibesübung in das Lehrprogramm aufzunehmen.

Um es kurz zu machen: In der Folge nahm sich der junge Gelehrte Jigoro Kano der Sache an und schuf im 15. Jahr der Meji - Dynastie (1883) ein System, welches er Judo nannte. Dies heißt: der sanfte Weg. Der Sinn ist im Wesentlichen derselbe wie der des Wortes Jiu-Jitsu. Während Jitsu (ursprünglich Jutsu geschrieben) eine mehr mechanische oder technische Kunst bedeutet, ist do die Bezeichnung für eine religiöse oder ethische Lehre und bezeichnet den "rechten Weg". Kano wollte aber keine neue Religion stiften, sondern dem Jiu-Jitsu lediglich eine moralische Seite hinzugeben. In seinem Sinne ist Judo eine Übung, die auch den Charakter des Menschen ausbilden soll. Dies alles im, Sinne einer durch strenge Selbstbeherrschung gekennzeichneten Übung des Gentleman, der sich durch nichts aus Fassung und Würde bringen oder zu Ärger und Heftigkeit hinreißen lässt, die Anweisungen seines Lehrers bescheiden und freundlich befolgt und Niederlagen im Wettkampf ebenso ruhig hinnimmt wie den Sieg.

Dazu eine Quellenangabe:




                 Professor Djigoro Kano


Noch etwas zur Aussprache: Eigentlich müssten wir Djudo schreiben, denn das J wird mit einem sog. d-Vorschlag – wie das englische j oder das italienische gi – gesprochen. Bei japanischen Gesprächspartnern muss man noch genauer sein. Da heißt es nämlich, das u in dju lang auszusprechen, also: djuudo zu sagen. Denn mit kurzem u heißt djudo "Lehre des Konfuzius", und der hat mit unserem Sport nun gar nichts zu tun. Ähnlich ist es mit dem Wort Jiu-Jitsu. Das wird ausgesprochen: Djuu-Djitsu. Das letzte u wird ganz kurz gesprochen, gleichsam verschluckt. Wer dies richtig macht, aber das erste u in diu (djiu) nicht ausdehnt, der redet für japanische Ohren von Hexerei oder Magie, was ebenfalls jiu-jitsu geschrieben wird. Ganz schön kompliziert oder?

Nun, ähnlich schwierig ist es, das Judo zu erlernen. Die weit über 100 zählenden Grundtechniken ( Würfe, Halte-, Hebel- und Würgegriffe) haben jeweils zahlreiche Varianten und bieten ein unerschöpfliches Reservoir des Lehrens und Lernens. Neben körperlicher Kraft verlangen die Techniken Schnelligkeit und Geschmeidigkeit der Bewegung, den Überraschungsangriff ebenso wie die Abwehrreaktion. Dies alles zu verarbeiten, verlangt auch eine geistige Anstrengung, erzieht also zu einer Form der körperlichen Intelligenz. Judo ist schließlich partnerschaftlich. Nur mit einem Partner kann man üben, kann nur an ihm die eigene Kraft und Geschicklichkeit messen, muss ihn aber auch vor Verletzungen beschützen.

(Heiner Sauer 1989/2018
PSV Braunschweig / SFV Braunschweig)
(Text als pdf)            (Weitere Informationen zu Erwin Bälz)

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Letzte Änderung: 07.06.2018