Modern Arnis in der Judo-Hobbygruppe

Der Erlebnisbericht eines Betroffenen

Alles begann – wie es sie bekanntlich häufiger ereignete – mit einer Schnappsidee und einer unbedacht in den Raum geworfenen Bemerkung. Es hatte ja keiner ahnen können, dass aus der spöttischen Stichelei tatsächlich einmal bittere Realität werden könnte.
Kai, der Sohn unseres lieben Mitjudokas Jürgen Danneberg, war wieder einmal Gast auf unserer Matte und schwelgte beim Gürtelball  in schweißgetränkten Erinnerungen an vergangene Zeiten, als er noch in Braunschweig lebte und regelmäßig diesem Vergnügen nachgehen konnte. Das Schicksal hatte ihn jedoch von uns fort und erst nach Clausthal-Zellerfeld und schließlich nach Hamburg geführt, wo er nun seinen gegenwärtigen Lebensmittelpunkt gefunden hat. In dieser Zeit der Veränderung hatte er die Gelegenheit genutzt, auch seinen sportlichen Horizont zu erweitern, und andere Sportarten ausprobiert – Aikido, Kendo und schließlich Modern Arnis – da die örtlichen Judogruppen nicht so richtig seinen Vorstellungen entsprachen. Wahrscheinlich spielten sie kein Gürtelball.
Jedenfalls nahm das Verhängnis seinen Lauf. “Mensch, Kai”, wurde da geflachst, “wenn du das nächste Mal in Braunschweig bist, kannst du uns eigentlich ja mal eine Trainingsstunde in Modern Arnis geben” … und das hat er dann auch getan.

Am Mittwoch, den 3. Oktober war es so weit. Konnte es einen besseren Termin geben als den neuen Tag der deutschen Einheit, um einmal über seinen eigenen Tellerrand zu schauen und etwas Neues auszuprobieren? Die Beteiligung war für unsere gewohnten Verhältnisse zwar recht gering – im Vorfeld hatten auch mehr Personen ihr Kommen trotz Feiertag angekündigt – aber alle Anwesenden waren fest entschlossen, ihr Bestes zu geben, und das war schließlich alles, was zählte. Natürlich wurde auf das traditionelle Gürtelballspiel nicht verzichtet … doch dann wurde es ernst.



Kai hatte sich auf das Event gut vorbereitet und einen beachtlichen Stapel von ungefähr fünfzig Zentimeter langen Prügeln mitgebracht, von denen alle Anwesenden zunächst einmal je einen zugeteilt bekamen. Hardy hatte daheim wahrscheinlich einen alten Besenstiel abgesägt und sein eigenes Schlaginstrument mitgebracht. Dieses wurde von dem kundigen Auge jedoch nach kurzer Begutachtung als ungeeignet klassifiziert und aussortiert.
Es folgte ein kurzer Ausflug in die Theorie, in dem Kai eine kleine Übersicht über die verschiedenen Stilrichtungen und den geschichtlichen Hintergründen des philipinischen Kampfsports bot – so ein Stock konnte in ferneren Gefilden auch schon einmal eine Machete sein – und anschließend die sechs Standardangriffe erläuterte: Schlag zum Kopf von rechts und links, Schlag zum Knie von rechts und links, Schlag von oben auf den Kopf und den Stich zum Torso.



Um die Anwesenden jedoch nicht zu überfordern, wurde die nachfolgende erste praktische Übung – Schlagen und Blocken – auf die ersten beiden Angriffsarten beschränkt … und so schlugen die Judokas munter aufeinander ein. Es war den Gesichtern und der Körpersprache der Übenden jedoch zu diesem Zeitpunkt noch deutlich anzusehen, dass nicht allen die Vorstellung unbedingt behagte, mit einem Knüppel auf seinen Gegenüber einzudreschen … den Partner zu Boden zu werfen, ihn zu würgen und zu hebeln, das waren sie gewohnt, doch dieser Akt der unverblümten Aggression war ihnen irgendwie befremdlich. Die Fotos zeigen dies überdeutlich.
Auch mit dem anschließenden Herumwirbeln des Stockes – einer lockeren Bewegung aus dem Handgelenk in beiderlei Richtung – taten sie sich einigermaßen schwer. Vergeblich suchte man bei ihnen die unverkrampfte Leichtigkeit, mit der der Modern-Arnis-Kämpfer seine Gegner beeindruckte und sicher auch verwirrte. Stattdessen drohte so manches Handgelenk abzubrechen, und die Stäbe wirbelten auch schon mal unkontrolliert von dannen … und dabei sah es doch so einfach und unkompliziert aus, wenn Kai es demonstrierte … Beidhändiges Wirbeln kam erst recht nicht in Frage. Dennoch verzagte niemand. Rom war bekanntlich auch nicht an einem Tag erbaut worden, und alle wussten noch zu gut, wie lange es gedauert hatte, bis sie locker und elegant fallen oder den ´Braunschweiger Armhebel´ auf der linken und rechten Seite demonstrieren konnten. Manch´ einer feilt noch nach Jahren an seinen Techniken …
Da im Gegensatz zum Judo im Modern Arnis vieles beidseitig simultan ausgeführt wird, bekam nun jeder einen weiteren Stock verpasst. Zweihändiges Agieren war nun gefragt und verlangte selbst bei der einfachsten Grundübung allen Anwesenden höchste Konzentration ab. Wer hier Fehler machte, würde bei einem engagierterem Trainieren bestimmt mit Beulen und blauen Flecken bestraft. Dementsprechend vorsichtig gingen alle ans Werk, und es kam auch zu keinen Verlusten.



Zum Abschluss hatte sich Kai noch ein besonderes Bonbon aufgehoben: Hebeln und Würgen mit Hilfe des Stockes. Da leuchteten die Augen der Judokas wieder. Das war etwas, wo sie sich heimisch fühlten – auch wenn sich das Hebeln im Nachhinein mehr als ein Quetschen entpuppte. Über die Wirksamkeit der Techniken bestanden aber keine Zweifel. Gut gelaunt und von neuem Enthusiasmus erfüllt fielen alle Übenden übereinander her … und dann war das Training auch schon vorüber.
Gefallen hatte es allen, daran bestand kein Zweifel. Die Meisten waren aber auch froh, den Stock wieder abgeben zu können, da dessen Handhabung ziemlich ungewohnt war und zweifelsohne jeder Menge Übung bedurfte, um einigermaßen über die Runden zu kommen – Judokas sind halt keine Schläger und knöpfen sich ihre Gegner lieber direkt vor. Dennoch sind bereits Rufe nach einer Wiederholung der Aktion laut geworden … auch unter jenen, die nicht dabei gewesen waren … eine eindeutigere Bestätigung, dass er seine Sache gut gemacht hat, kann sich Kai eigentlich gar nicht wünschen. An dieser Stelle sei ihm noch einmal ein ´vielen Dank´ für seine Mühe und seine Aufopferung von allen Teilnehmern ausgerichtet.
Andreas
Zu Kais Rechenschaftsbericht


Alle Bilder vom Modern Arnis-Training


Bei Fehlern, Fragen, Anregungen etc.:    info@guertelball.de Datenschutzerklärung
Letzte Änderung: 07.06.2018